Ehrenamtspreis

Harry Pfau: ehemaliger Obdachloser ist nominiert als „Stuttgarter des Jahres“

Bei Harrys Bude vor der Kirche St. Maria an der Tübinger Straße ist reger Betrieb: Ehrenamtliche räumen gespendete Lebensmittel ein, vor der Bude stehen Menschen unterschiedlichen Alters, die Backwaren vom Vortag abholen und schauen, welches Obst und Gemüse Harry Pfau vom Wochenmarkt mitgebracht hat. Der 61-Jährige wurde nun für sein ehrenamtliches Engagement als „Stuttgarter des Jahres“ nominiert. Vom 28. Januar bis zum 7. Februar können Sie ihm Ihre Stimme geben.

„Das hier ist viel mehr als eine Lebensmittelausgabe“, sagt Harry Pfau und blickt stolz auf seine Bude. „Für manche Menschen sind wir die einzigen, mit denen sie am Tag reden, für andere die einzigen, von denen sie etwas zu essen bekommen.“ Im August 2020 begann Harry Pfau mit anderen Ehrenamtlichen, Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten und sie an Menschen, die sie brauchen können, weiterzugeben. Harry Pfau steht neben vier Obstkisten und nimmt einen Apfel heraus. „Zweite Wahl, will keiner mehr kaufen, dabei schmecken die Äpfel noch sehr gut. Bei uns werden die dankbar genommen und sind innerhalb weniger Tage weg.“

Täglich kommen 200 Menschen zu Harrys Bude

Zu Harrys Bude an der Marienkirche kommen werktags rund 200 Menschen, um sich ihre Taschen mit Lebensmitteln befüllen zu lassen. „In der Coronazeit waren es viele Studenten, inzwischen sind es immer mehr Erwerbstätige, die ohne uns nicht über die Runden kommen würden“, berichtet Harry Pfau. „Bei uns ist jeder willkommen, einen Berechtigungsschein wie bei der Tafel haben wir nicht.“ Auch Drogenabhängige und Obdachlose kommen hierher. Bei Harry fühlen sie sich verstanden und willkommen. „Ich habe selbst 13 Jahre auf der Straße gelebt und war alkoholabhängig. Den Leuten gebe ich nicht nur Lebensmittel, sondern auch Informationen zu Hilfsangeboten, wie dem MedMobil“, erzählt der 61-Jährige, der vor einem Jahr durch die Caritas eine Wohnung gefunden hat. Harry Pfau ist nicht nur in seiner Bude anzutreffen, er besucht Schulklassen und berichtet von seinem Leben auf der Straße und davon, wie es ist, gerettete Lebensmittel in einer reichen Stadt wie Stuttgart fair zu verteilen.

Gerettete Lebensmittel von Bäckereien und vom Wochenmarkt

Drei Mal pro Woche fährt Harry Pfau mit anderen Ehrenamtlichen per Lastenrad zum Wochenmarkt und holt dort Obst und Gemüse ab, das die Händler nicht mehr verkaufen können. 30 bis 40 Kisten sind das jeweils. Von Bäckereien bekommt er Ware vom Vortag.

Harrys Bude entstand aus einer Idee von „St. Maria als“ und wird seitdem von der Kirchengemeinde St. Maria unterstützt. Sie hat beispielsweise den Container gekauft und übernimmt die Stromkosten. Neben der finanziellen Unterstützung helfen Ehrenamtliche der Gemeinde bei der Lebensmittelabholung und -verteilung mit.

Wahl zum „Stuttgarter des Jahres“

Die Nominierung zum „Stuttgarter des Jahres“ in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ war für Harry Pfau eine Überraschung. „Es ist eine große Wertschätzung unserer Arbeit. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt“, sagt er mit einem Lächeln. Das Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro würde er in ein neues Lastenrad oder in die Bude investieren. Dass er es vom Obdachlosen zur Nominierung als „Stuttgarter des Jahres“ schafft, „hätte ich mir so nie vorstellen können“. Vom 28. Januar bis zum 7. Februar können Sie unter www.stuttgarter-des-jahres.de für ihn abstimmen.

Hintergrund

Mit dem Ehrenamtspreis „Stuttgarter:in des Jahres“ würdigen die Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten sowie die Volksbank Stuttgart jedes Jahr soziales Engagement von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Vom 28. Januar bis zum 7. Februar kann online zwischen insgesamt neun Nominierten in den drei Kategorien Kinder und Jugend, Kunst und Kultur und Nachhaltigkeit abgestimmt werden. Neben den drei Preisen aus der Publikumsabstimmung wird noch der Sonderpreis der Jury vergeben. Das Preisgeld beträgt jeweils 3.000 Euro und wird beim Festakt am 15. März 2023 überreicht.

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